Angsthund

Immer wieder und häufiger hört man etwas von einem Angsthund – gerade aus dem Ausland. Was es mit Angsthunden auf sich hat, was einen Hund zu einem Angsthund macht und einen persönlichen Erfahrungsbericht erfahrt ihr hier. Vorab noch eins: Unser Verein und Vermittler geben sich die größte Mühe die Hunde in der Arche immer gut einzuschätzen und meistens gelingt uns das auch. Das heißt, wir sagen euch klar wenn wir einen ängstlichen Hund vermitteln. Trotzdem sind Hunde auch nur Lebewesen und andere Umgebungen, Menschen und Träger können immer dazu führen, dass ein Hund Angst entwickeln kann.

Oft finden wir Hunde auf der Straße oder retten diese aus dem örtlichen Tierheim. Manche dieser Hunde vertrauen Menschen nur noch bedingt und zeigen sich uns gegenüber sehr ängstlich. Andererseits gibt es auch immer wieder Hunde, die gegenüber der Umwelt (z. B. Gegenstände, Geräuschen oder Gerüche) eine Angst entwickelt haben. Schlussendlich gibt es auch Hunde die sowohl vor Menschen als auch vor der Umwelt Angst haben. Alle bezeichnet man als Angsthunde.

Ängstliche Hunde sind nochmal eine ganz andere Herausforderung als ein souveräner Hund. Um euch dieser Herausforderung aber auch den Lohn/Glück/Chance etwas näher zu bringen, hat unsere Vermittlerin Marion – als Pflegestelle eines Angsthundes – euch ihre persönlichen Erfahrungen aufgeschrieben:

Die Strategie gegen Angst

Wer einen sogenannten Angsthund adoptiert, sollte sich darauf einstellen, dass unter Unterständen ein langer Weg vor ihm/ihr liegt. Denn viele der Hunde haben Schreckliches erlebt und somit verschiedene Traumata davon getragen.

 Teils sind die Hunde auf der Straße geboren und mussten sich von klein an alleine durchschlagen, viele Hündinnen hatten bereits mehrere Würfe und mussten nicht nur sich, sondern auch ihre Welpen schützen. Zusätzlich kennen sie oftmals den Umgang mit Menschen nicht, und wenn, sind diese Erfahrungen meist negativ behaftet.

Daher sucht sich jeder Hund die Strategie, mit den Ängsten umzugehen, die für ihn am sinnvollsten erscheint. Hier unterscheidet man zwischen vier verschiedenen Strategien, die sogenannten vier Fs:

Die Sprache der Hunde

Ein Hund „spricht“ zu uns durch seine Körpersprache, die wir so gut wie nur möglich lesen und interpretieren lernen müssen. Nur so ist es möglich, Situationen richtig einzuschätzen und zum Wohle des Tieres als auch anderer Beteiligter zu entschärfen.
Äußerlich erkennbare Anzeichen von Angst bei Hunden sind u. a.:

Die Sprache des Menschen

In diesem Zusammenhang lohnt es sich auch, die Körpersprache des Menschen zu analysieren:

Aller Anfang ist schwer - auch als Angsthund(-Besitzer)

Gerade die Angsthunde haben es so verdient, endlich ein sicheres und geborgenes Zuhause zu finden. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, der Anfang ist schwer…Es dauert, bis der Hund einen so weit akzeptiert, dass man ihn anfassen, das Geschirr anlegen und anleinen kann. Vieles führt schnell zu Panikattacken. Aber jeder noch so kleine Fortschritt macht einen so unglaublich glücklich.

Das erste Kraulen, der erste Spaziergang, das erste Lecken der Hand…das sind wunderbare Momente. Wenn man sich einfach sagt: „es dauert halt, solange es dauert“, nimmt man automatisch den Druck aus der Sache raus. Es müssen nicht täglich Erfolge sichtbar werden. Manche kommen schnell hintereinander, andere dauern Monate, es gibt auch mal kleine Rückschritte, denen man auch nicht zu viel Gewicht geben sollte. Der Hund gibt das Tempo vor und das muss man akzeptieren.

Meine Pflegehündin

Meine jetzige Pflegehündin wurde wahrscheinlich auf der Straße geboren und hat dort sicherlich einige Würfe gehabt. Dadurch hat sie sich spätestens dann für die „Fight-Strategie“ entschieden. Sie geht nach vorne, da sie glaubt, Angriff ist der beste Weg zum Selbstschutz. 

Geräusche machen ihr erstaunlich wenig Angst, aber Menschen und andere Hunde. Sie hat tatsächlich keine Erfahrung mit Menschen. Ihre Zuneigung mir gegenüber zeigte sie bis vor kurzem sehr „ungehobelt“, d.h. so, wie sie auch mit ihr bekannten Hunden umgeht. Erst jetzt, nach fast 5 Monaten, hat sie gelernt zu kuscheln, vorsichtig und zärtlich zu sein, was sie unglaublich genießt (ich natürlich auch :D).

Souveränität und Regeln geben Sicherheit

Jeder Tag mit ihr ist eine Überraschung. Wenn man am wenigsten damit rechnet, macht sie einen gewaltigen Sprung nach vorne, dann wiederum passiert eine Weile gar nichts. Aber auch in der Zeit festigt sich das Erreichte und die Bindung und das Vertrauen wachsen ohnehin täglich. Mit einem Angsthund im Haus lernt man auch viel über sich selber….

Man merkt auf einmal viel deutlicher, wenn man ungehalten, unwirsch oder laut wird. Oft ist das völlig überflüssig! Wenn man super drauf ist, überträgt sich das auch direkt auf den Hund, der sich ermutigt fühlt, auch positiv an der Seite seines Menschen zu leben und laufen. Man sollte auch darauf achten, das man seinen Hund nicht in seiner Angst bestärkt, in dem man ihn tröstet, schimpft oder ungehalten reagiert.

Souveränität ist hier das A und O. Wenn man ruhig bleibt, Sicherheit ausstrahlt und ihm somit signalisiert, dass man die Dinge für ihn regelt und auf ihn aufpasst, dann schafft man es auch bald, ruhig an anderen Hunden und Menschen vorbeizugehen. Leckerlis sind natürlich immer erlaubt, denn die meisten Straßenhunde sind absolut bestechlich!

Abschließend möchte ich sagen, man sollte es sich gut überlegen, bevor man einen Angsthund zu sich nimmt, denn einfach ist es nicht… aber es lohnt sich soooo sehr und gibt einem unglaublich viel. Die Glücksmomente, die mit jedem noch so kleinen Fortschritt einhergehen, sind so wertvoll und lassen einen die schweren Momente, die oftmals an den Nerven zerren, ganz schnell vergessen.

Die Reise der Pflegehündin Mathilda